Hand hält leeres Notizbuch hoch

Flirt mit dem leeren Blatt

Es starrt mich an, dreist schon fast. Das erste Wort, der erste Buchstabe: aufregend wie der Blickwechsel zweier Menschen, zwischen denen es ernsthaft funkt.

  • Wohin wird das Schreiben mich führen?
  • Auf ein Piratenschiff?
  • Zu Sanddünen unter Sternenhimmel?
  • In ein verschneites Land hinter einer Schranktür?

Was Ursula K. LeGuin in ihren Essays über das Schreiben schreibt, hat mich tief beeindruckt:

„To make something is to invent it, to discover it, to uncover, like Michelangelo cutting away the marble that hid the statue.“ (World-Making, Stanford University 1981)
„Etwas zu erschaffen heißt es zu erfinden, zu entdecken, zu enthüllen, so wie Michelangelo den Marmor abschlug, der die Statue verbarg.“
Und: „I discovered Earth Sea“ (Dreams Must Explain Themselves, 1973).
„Ich entdeckte die Erdsee“.*

Die Erdsee-Trilogie entstand als eine Entdeckungsreise, so LeGuin in ihrem oben zitierten Essay „Dreams Must Explain Themselves“. Der junge Zauberer Ged reist von Insel zu Insel. Schritt für Schritt nimmt der Archipel für die Autorin Gestalt an.

Mit 20 Jahren habe ich „Erdsee“ zum ersten Mal gelesen, und dann bald zum zweiten, dritten, vierten Mal. Die Kraft, die in dieser Erzählung steckt, speist sich aus der Art und Weise ihrer Entstehung: Dass die Autorin ihren Figuren folgt, nicht umgekehrt.

So möchte ich auch schreiben, habe ich viele Jahre lang gedacht. Beim Denken blieb es.

Jetzt habe ich endlich diesen Schritt getan, habe das leere Blatt zurück angestarrt und die Herausforderung angenommen.

Dass es nicht bei einem Geschichtenanfang blieb, oder bei einer Rohfassung in der Schublade, habe ich einigen glücklichen Fügungen zu verdanken: dem Dänemark-Urlaub zum Ende meiner Elternzeit, dem guten Schlaf unserer Tochter, dem langen Durchhalten meines alten Laptops und vor allem Bettina K. Belitz, die mein Projekt unter ihre Fittiche nahm und mich zum Weitermachen ermutigte. Herzliche Empfehlung an alle, die eine respektvolle, aber mit klaren Worten nicht sparende Begleiterin für ihre Bücher im Werden suchen!

Bettinas Splitterherz-Trilogie gehört übrigens auch zu den Büchern, die ich vier- und mehrmals gelesen habe und immer wieder lese. Zum Schreiben gehört ein Sich-Einlassen auf die Figuren, auf ihre innere Welt, das hat sie einfach drauf.

* Übersetzungen von mir

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