Glauben ist wie wenn aus Verliebtsein Liebe wird und ich fühle, dass ich mit diesem Menschen gemeinsam alt werden möchte.
Oder wie wenn ich ein Musikstück wieder und wieder höre und jedes Mal etwas Neues entdecke.
Oder wenn ich nach langer Zeit an einen Ort zurückkomme und mich dort wie zu Hause fühle.
Du kannst die Frage auch so stellen: Woran merke ich, dass ich liebe, zu Hause bin, diese Musik genieße?
In der Regel bemerkst du diese Dinge nicht, sondern du erlebst sie. Erst im Rückblick erschließt sich dir, dass du in diesem Moment Liebe gespürt oder nach Hause gekommen bist. Genauso erkennst du erst im Rückblick, wie sehr dich der Glaube durch diese oder jene Lebensphase getragen hat – oder wie sehr er dir gefehlt hat.
Glauben gehört so zum Leben wie das Atmen
Mit einem Unterschied: Du kannst ihn einüben und lernen. So wie Erich Fromm sagt, „Liebe ist eine Aktivität“, ist auch Glauben eine Aktivität. Du kannst ihn pflegen oder vernachlässigen, so wie einen Garten oder ein Haus.
Ich begegne immer mal Menschen, die zu mir sagen: „Ich kann auch ohne Kirche glauben.“ Das klingt bisweilen ein bisschen defensiv, so als müssten sie erklären, warum sie mit der Kirche – dem Gebäude, oder der Institution – nichts zu tun haben wollen.
Meiner Meinung nach braucht es da gar keine Erklärung. Das Wesentliche am Glauben ist, dass er – im Kern – ohne Institution auskommt.
Bevor jetzt diejenigen aufschreien, die so wie ich die Kirche für etwas Gutes und Bewahrenswertes halten: Der Glaube kommt ohne Institution aus, das bedeutet für mich nicht, dass die Institution überflüssig ist. Das meinen diejenigen, die entweder aus irgendeinem Grund verärgert über die Kirche sind, oder die sich noch nie ernsthaft mit ihr befasst haben.
Ich habe bis jetzt zwei Dinge behauptet: 1. Glaube braucht keine Institution, und 2. Glaube kann eingeübt, gelernt, gepflegt werden.
Warum ist das so?
Zu 2. Martin Luther hat in seinem theologischen Werk herausgearbeitet, dass Glaube in erster Linie ein Geschenk von Gott ist.
Dem will ich keinesfalls widersprechen. Aber ich möchte betonen, wie wichtig es ist, dass ich dieses Geschenk jeden Tag in die Hand nehme, es betrachte, begreife, bestaune. Ohne Worte, Lieder oder Gesten nimmt der Glaube in mir keine Gestalt an, sondern bleibt eine bloße Vorstellung, ein Gedanke.
Zu 1. So sehr ich es nachvollziehen kann, wenn jemand sagt: „Ich brauche keine Kirche, um zu glauben“ – ich meine doch, dass das Ganze komplexer ist. Ja, der Glaube braucht keine Institution, denn es gab ihn vorher schon. Ohne Glauben gäbe es keine einzige Religionsgemeinschaft auf dieser Welt. Und Nein, ein kompletter Verzicht auf die Institution ist kein Gewinn, sondern ein Verlust. Denn ohne andere, die mit mir gemeinsam ihren Glauben pflegen, mit denen ich mich austauschen kann, die ein Stück Weg mit mir gehen, wenn ich es schwer habe, denen ich helfe, wenn sie es brauchen – ohne Gemeinschaft ist der Glaube tot. Ein Ding, das ich ab und zu aus dem Regal nehme, den Staub abwische, staune, dass ich es noch habe, und es dann wieder zurückstelle.
Woran merke ich, dass ich glaube?
Daran, dass es sich toll anfühlt und dass ich immer noch ein bisschen mehr möchte.